Glorious Women of Rajasthan

Album Vinod Joshi
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 
   
 

Sängerinnen und Musikerinnen öffnen ihre Türen und erzählen aus ihrem Alltag, von Traditionen, ihren Sorgen und Hoffnungen. Mit ihrem Stimmen prägen die “Glorious Women of Rajasthan” den Sound ihrer Region.

Unter der kuratorischen Leitung von Vinod Joshi ist eine einzigartige Sammlung traditioneller Gesänge weiblicher Stimmen aus Rajasthan entstanden. Sie spiegelt die aktuellen künstlerischen Entwicklungen und musikalischen Strömungen aus den verschiedenen Communities der Region wider.

 

Begrüßungslieder, Liebeslieder, Hochzeitslieder, Trennungslieder, Lieder zur Geburt eines Kindes, Lieder zur Regenzeit, Freundschaftslieder, Lieder, die die Liebe zu einem Guru oder Lehrer ausdrücken, Andachtslieder und Lieder zu Volksgottheiten – die Volksmusik von Rajasthan ist reich an Liedern. Und dieses Album ist reich an Frauen!

Ein Reisetagebuch von Nityka Yadav und Nataly Bleuel

Das erste Mal singen sah man sie, da war sie ein Mädchen von sechs Jahren. Sie saß neben ihrem Vater, der das Harmonium spielte, und vermutlich, es ist nun schon eine Weile her, trug sie auch da, auf dem Boden hockend die Beine überkreuz, ein rotes Tuch. Das oft wie ein lichtes Zelt über Raju Bhopa liegt. Und unter dem, so kann es wirken, ein Gesicht aufgeht, rund, dunkel und leuchtend wie ein Mond über Rajasthan.

Es hebt an zu singen. Und aus diesem zarten, kleinen Körper kommt eine Stimme mit einer Wucht und einem Druck. Dass man wie vom Donner gerührt auf dem Lehmboden im Haus ihrer Familie festwachsen will. Weil man solche Kraft und Schönheit noch nicht zuvor gesehen, nein, gehört hat.

Auch Vinod Joshi ging es damals, vor 21 Jahren schon so, als er Raju Bhopa zum ersten Mal sah. Die Tochter des Bhopa, der auch schon aus einer Familie der Sänger und Musiker stammte. Denn die Bhopa besingen die Götter in Rajasthan, im Nordwesten Indiens, ihre Volksgötter, in den Dörfern, auf dem Land. Sie gehören nicht zur Kaste der Unberührbaren. Aber sie sind nah dran. Am Rand der Gesellschaften. Manche von ihnen ziehen mit ihren Phads über die Dörfer, zu den Feiern und Festen, um andächtige Volkslieder zu singen und -götter zu beschwören. Und Leid zu beklagen. Phads sind tragbare Tempel, zwischen zwei Stangen lassen sich die Stoffbahnen aufspannen, die bemalt sind und von Sagen künden. Bei Einbruch der Dunkelheit, die ganze Nacht hindurch und bis morgen.

Doch die letzten zwei Jahre haben weder Raju Bhopa noch die anderen Musikerinnen und Musiker des Landes ihre Zelte oder Rollmalereien aufgespannt. An die 1000 zählen sie in Rajasthan, in 119 Dörfern rund um Jaipur. Denn sie mussten in ihren Häusern bleiben, die Pandemie kostete einige von ihnen das Leben. Sie verdienten nicht mal das Nötigste für den Lebensunterhalt, ein paar Rupien für Mehl oder Medikamente, und sehnten sich danach zu singen, zu tanzen und ihre Dhol, ihre Kamayacha, Iktara und Manjeera zu spielen, Trommeln, Lauten, Harmonium, Schellen und Flöten.

Nicht alle Volksmusikerinnen Rajasthans tun das so offen wie Raju. Auch wenn Vinod Joshi hier 16 weibliche Musikgruppen ausgemacht hat. Viele von den Frauen dürfen sich nicht musizierend der Öffentlichkeit zeigen. Und so stehen dann manche vor den Phads auf Teppichen, neben ihren Flöte spielenden Vätern, Männern, Brüdern oder Söhnen und singen – mit Tüchern vor dem Gesicht.

30, 40 Anrufe von Musikerinnen und Musikern bekommt Vinod Joshi täglich. Sie sind Familie für ihn. Ihr könnt, hat er ihnen in der zweiten Phase der Pandemie gesagt, nachdem man wieder Wochen lang Haus und Hof nicht verlassen durfte, und schon gar nicht als Frau auf dem Land: jederzeit bei mir anrufen. Auch mitten in der Nacht!

Seit 21 Jahren pflegt und betreut Vinod Joshi die Musiker und Musikerinnen auf dem Land für Stiftungen wie jetzt die Jajam Foundation, damit diese uralte Volkstradition nicht verloren geht. 2011 drehte die BBC darüber einen Film, The Lost music of Rajasthan, Raju Bhopa war darin zu sehen mit ihren Brüdern an Kamyacha und Dhol, die Devi-Schwestern Jamuna und Mahla Devi, aber auch Parveen Mirzha, die für den Maharadscha musizierte. So drippelten die Frauen langsam aus dem Schatten der Häuser. Die Männer staunten. Dass sich jemand für ihre musizierenden Frauen interessierte. Und dass sie damit sogar Geld verdienen konnten. Für die Jungen wurden sie Vorbilder. Raju Bhopa wurde nach Europa eingeladen. Ihr Mann wollte s unterbinden. Er selbst hatte kein Einkommen. Doch ihre Mutter unterstützte sie: Vinod Joshi Ji würde auf der Reise auf sie acht geben und außerdem, behaupteten die Frauen, seien da noch weitere Frauen dabei.

Vinod Joshi kommt selbst vom Dorf, schaffte es aber zum Studium der Soziologie in die Hauptstadt Jaipur. Und liebt die Musik und die Freiheit, nur so lässt sich erklären, warum die weiblichen Musikerinnen wie Raju ihn so dankbar als Vinod Joshi Ji betiteln als hätte er sie gerettet.

Und das hat er in mancher Hinsicht auch. Es war nach der dritten Woche Isolation in der ersten Phase der Pandemie, als er auf dem Dach seines Hauses in Jaipur stand, in der Dunkelheit der Nacht, und dachte, wir schaffen das nicht. Die Nachbarn sterben weg. Meine Töchter können nicht mehr zur Uni. Die Welt wird untergehen. Und wie nur sollen sich die bettelarmen Musikerinnen und Musiker draußen auf dem Land halten, wenn sie keine Rupie mehr verdienen können?

So begann die Aktion mit den Care-Paketen. Für 400 Musikerfamilien packten sie ein: Mehl, Öl, Getreideflocken, Salz, 10 Kilo, im Wert von 1000 Rupien. Das sind 12 Euro. Plus 2500 Rupien im Monat für die alten Kranken. Gesponsert durch die Stiftung, tatkräftig unterstützt durch seine Töchter, die ihm am Computer halfen, und der Premierminister ließ, als er davon hörte, noch mal umgerechnet 60 Euro drauflegen. 1486 Musikerinnen und Musiker brachten sie durch Corona mit diesen Gesten und mit einem offenen Ohr. Anderthalb Jahre lang, sagt Vinod, waren sie allein, zuhaus, ohne Musik, und konnten nicht raus. Aber sie riefen ihn an und weinten. Und Vinod Joshi Ji, dem selber zum Heulen war, auf seinem Dach in der Dunkelheit, versuchte sie zu trösten, vor allem aber sie zu motivieren. Denk dran, sagt er, die Sonne geht wieder auf!

Und so erhielt er allmählich nicht mehr nur Anrufe. Sondern Video-Clips. Und da sangen die Frauen ihm vor, und tanzten und musizierten. Und so ging auch der Mond am Rand der Dörfer und Steppen von Rajasthan wieder auf, von Raju und den Bhopa.

Participating artists

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