Inspiriert vom außergewöhnlichen Gesang des Pied Butcherbirds und basierend auf den Field Recordings von Hollis Taylor und Jon Rose, ist Mparntwe Moments ein Zusammenspiel verschiedenster Kulturen und Musiktraditionen – ein musikalisches Abenteuer im roten Zentrum Australiens.
Die Musik der Natur und die Natur der Musik
Vor dreizehn Millionen Jahren spaltete sich die australische Vogelart, der Pied Butcherbird, von den Rabenvögeln ab, und entwickelte eine Vorliebe für den Gesang. Seine uralte Abstammung erinnert uns daran, dass der Mensch in Bezug auf Erfindung und Wahrnehmung von Melodien noch immer ein Neuling ist. Im Frühjahr singt er nachts Lieder mit einer Dauer von bis zu sieben Stunden. Keine zwei Individuen singen gleich und ihre Lieder verändern sich jährlich mit neuen Variationen und Motiven. Unsere Aufgabe ist es nicht, den Vogelgesang in unseren Kompositionen zu “verbessern”, sondern diese musikalischen Leistungen in unseren (Re)Kompositionen zu feiern.
—Hollis Taylor und Jon Rose
Impressionen eines musikalischen Abenteuers
Von Susanne Fröhlich
„Australien – ein Land, das mir immer etwas zu weit weg war und mir nur über Kängurus, Koalabären, Waldbrände und Feuerwerk an der Sydney Harbour Bridge ein Begriff zu sein schien. Wer hätte gedacht, dass sich dieser Kontinent einmal so in meinem Herzen verankern würde, mit seinen intensiven Farben, exotischen Pflanzen und virtuosen Vogelgesängen – einfach atemberaubend schön.
Alles begann mit einer Einladung an mich und den Kontrabassisten Meinrad Kneer von der in Alice Springs lebenden Violinistin, Komponistin, Zoomusikwissenschaftlerin und Ornithologin Hollis Taylor. Ihr Buch Is Birdsong Music? und das dazugehörige Album Absolute Bird kannte ich sehr wohl, v.a. da einige der Solostücke für Blockflöte geschrieben waren. Aber wie so oft im Leben, bekommen die Dinge erst dann einen besonderen Stellenwert, wenn man sie am eigenen Leib zu spüren bekommt.
Hollis beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Gesang eines außergewöhnlichen australischen Vogels, dem Pied Butcherbird. In ihrer Recherche beweist sie, dass der Gesang des Pied Butcherbirds nicht nur eine Form der Kommunikation ist, sondern auch einen ästhetischen Charakter hat, mit einer Technik und einem Erfindungsreichtum, die menschlichen Kompositionen gleichkommen.
Ziel unserer Residenz war es, uns mit dieser außergewöhnlichen Künstlerin auszutauschen, ihre Forschungsmethode kennenzulernen, mit ihr in einen musikalischen Dialog zu gehen und die Pied Butcherbirds in der freien Natur zu erleben. Ein absolutes Geschenk war eines Morgens der Erkundungstrip an die jeweiligen Beobachtungspositionen von Hollis. Für die australische Winterzeit war es erstaunlich warm und Hollis nahm an, dass einige der Vögel bereits anfangen würden, musikalisch in Form zu kommen. Beeindruckend, welchen Herausforderungen sich die mittlerweile 72-jährige Frau Jahr für Jahr stellt und welche Mühen sie auf sich nimmt. Allein der frühe Start in die absolute Dunkelheit, ausgerüstet mit mehreren Aufnahmegeräten und hochwertigen Mikrofonen, einem GPS-Gerät, mehreren Pullovern, windfesten Jacken, etwas Brotzeit und mehreren Litern Wasser, einem Notfallköfferchen, falls man doch einmal einer Schlange begegnen sollte und natürlich einer Tüte mit Schaufel und Klopapier für die irdischen Bedürfnisse.
Die ersten Stunden schleppen wir uns durch die klirrende Kälte und etwas beklemmende Einsamkeit und strotzen der sich immer wieder einschleichenden Müdigkeit durch lustige Anekdoten. Ich frage mich mehrmals, wie Hollis das nur schafft, wenn sie allein unterwegs ist. Sobald sich allerdings die ersten Vögel zu erkennen geben und ihre fantastischen Gesänge starten, sind die Mühen schnell vergessen. Die ersten Sonnenstrahlen spenden Wärme, die Nebelschwaden lösen sich langsam auf, die Welt erwacht und man taucht ein in ein magisches Naturspektakel, ein völlig neues Klanguniversum, der Verstand hellwach, die Ohren gespitzt.
Unser Aufenthalt in Alice Springs war einzigartig und wir haben noch immer nicht ganz verarbeitet, was wir alles erleben durften. Wir waren noch nie in einer Stadt wie dieser, mitten in der Wüste, mit Bäumen und Pflanzen, die wir noch nie gesehen haben, und Vogelarten, die wir noch nie gehört haben. Die Natur ist umwerfend, und ich hoffe, dass wir das in diesem Album auf die ein oder andere Art und Weise transportieren können. Das Repertoire ist so vielfältig wie das Land selbst und besteht aus komponierten Werken und Improvisationen. Die drei Solostücke und das Trio tragen als Titel den jeweiligen Ort der Aufnahme des Pied Butcherbirds. So wie sich der Vogelgesang mit jedem Stück ändert, spiele auch ich in jedem Stück auf einem anderen Blockflötenmodell und begegne so dem Vogel jedes Mal aufs Neue. Die Improvisationen über Batton Hill sind von unserem Besuch im Desert Park in Alice Springs inspiriert, wo wir in einer der Volieren den vielschichtigen, virtuosen Gesängen verschiedenster Vogelarten lauschen konnten. In der zweiten Improvisation Winds of Centralia steht eine äolische Harfe im Mittelpunkt, die Jon Rose, Violinist, Komponist und Partner von Hollis, gebaut und aufgenommen hat. Hier sind die unterschiedlichsten Naturgewalten, Gegensätze und Zufallsbegegnungen zu hören. Ein offenes Ende, das Lust auf mehr machen soll.“
Aufnahmen am 7./ 8. / 11. August 2023 in Alice Springs.
Das Sydney Conservatorium of Music an der University of Sydney und die „Corrugations“ Konzertreihe unterstützten Susanne und Meinrad in Zentralaustralien großzügig für einen Künstleraufenthalt zum Thema „Die Musik der Natur und die Natur der Musik“. Luiz Gubeissi stellte freundlicherweise seinen Kontrabass zur Verfügung.
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Tonaufnahmen durch Jon Rose.
Editing, Mixing, Mastering mit Alexis Baskind.
Trailer von Johannes Hölker.